Vom 13. bis zum 16. Dezember 2024 überschlugen sich die Meldungen vom MDR THÜRINGEN (mit Video) bis zur OTZ – Ostthüringer Zeitung mit dem Großbrand in der Greizer Hirschsteingasse am 13.12.2024 (siehe Quellenverzeichnis).
Mir geht das sehr ans Herz, da dieses Gebäude doch mein Elternhaus – der „Malzhof“ – war (Bilder 1 bis 5).
Die Hirschsteingasse 5 (Hinterhaus in Blickrichtung Von-Westernhagen-Platz und Neuer Weg) soll früher mal eine Mälzerei für die Schwarzbierherstellung gewesen sein. Ältere Greizer nannten dieses Gebäude nur „Malzhof“.
Hauseigentümer waren zuerst die Bauunternehmerfamilie Wagner (führte den Umbau zu Wohnungen in den 1930er-Jahren durch) und ab den 1960er-Jahren der Fleischermeister Gunther Hummel aus der Hirschsteingasse 7.
Meine Eltern zogen 1942 dort ein. Das Hinterhaus Nr. 5 ist zwar keine Schönheit, aber mir als Elternhaus ans Herz gewachsen. Die Mietpreise waren zu DDR-Zeiten sehr moderat. Im „Malzhof“ wohnten mal 13 Familien friedlich unter einem Dach. Es grüßte jeder jeden – Streit gab es kaum.
Die 13. Familie erreichte ihre Wohnung über einen Nebeneingang ca. 20 m rechterhand vom Haupteingang.
Das Treppenhaus Hirschsteingasse 5 hatte Steintreppen, die Wohnungen bestanden aus Holzbalkendecken.
Beruflich waren die Bewohner in Betrieben (Greizer Textilbetriebe, Papierfabrik, Wälzlagerwerk Fraureuth), bei der Staatlichen Versicherung, als Berufsschullehrer und sogar als Gerichtsvollzieher tätig. Die Frauen arbeiteten im Greizer Rathaus, als Verkäuferinnen beim Fleischer, in Obst- und Gemüsegeschäften und als Dekorateurin.
Rund 30 % der Mieter waren im Rentenalter. Der fleißigste Rentner war unser Hausmeister, der oft den großen Hof kehrte und alle Mieter erzog, am Abend und in der Nacht das Tor zur Straße und die Hauseingangstür Nr. 5 zu verschließen.
Da ich keinen Kindergartenplatz bekam, freute ich mich öfters über eine sinnvolle Spiel-Beschäftigung bei einigen Rentnern im Haus.
Alle Wohnungen hatten kein Bad, aber ein eigenes WC (jeweils in der gleichen Etage über den Treppenhausbereich: 4x WC-Boxen nebeneinander in einem separaten Raum). Die Mieter wohnten in 3 Etagen = 4 Wohnungen pro Etage. Heizung: Kohlenheizung mit Braunkohlenbriketts. Vom Hauswirt, Herrn Gunther Hummel, erhielten wir im Wohnzimmer sogar einen neuen Kachelofen.
Im Hof befand sich hinter einem rustikalen Holzschiebetor das sogenannte „Kreuzgewölbe“: ein Obst- und Gemüselager der Greizer Großhandelsgesellschaft. Später wurde das Lager aufgrund besserer logistischer Bedingungen nach Mohlsdorf verlegt.
Als Kleinkind wurde ich jeden Freitag in einer verzinkten „Volksbadewanne“ gebadet. Mir folgten dann Mutti und Vati am Schluss.
Das Greizer Stadtbad mit Schwimmhalle (auf Bild 6 dargestellt) besuchten wir dann später öfters in der Friedrich-Engels-Straße (heute wieder Marienstraße), wo sich jetzt das Schlossberghotel Greiz befindet (Bad-Eintrittspreise waren damals sehr günstig – vor allem beim beliebten Fichtennadelbad).
Der obere Boden der Hausnummer 5 war riesengroß (Wäscheboden ca. 20 m lang und 3 m breit). Die beiden stirnseitigen Bodenfenster boten einen ausgezeichneten Blick in Richtung Oberes Schloß über den ehemaligen Karl-Marx-Platz (jetzt Von-Westernhagen-Platz): Mieter trafen sich dort gern als Zuschauer bei Veranstaltungen und zum Jahreswechsel (Bilder 7 und 8).
Ich gehörte der Nachkriegsgeneration an, die noch bescheiden, aber glücklich mit Holz- und Blechspielzeug bei viel menschlicher Wärme aufwuchs. Wir Kinder spielten oft im Hof.
Von der elterlichen Wohnung erreichte ich über die Passage bereits nach 5 Minuten die Goetheschule (1. bis 10. Klasse).
1967/68 befand sich im Greizer Rathaus ein neues Stadtmodell (mit mächtig gewaltigen Hochhäusern rund um das Obere Schloß). Für die Grundstücke Hirschsteingasse 1 bis 7 existierte da das quaderförmige Modell eines riesigen Hotels. Wir diskutierten in der Goetheschule im Unterricht sogar mit unserem stellvertretenden Schuldirektor offen darüber, weil das doch ein Greizer Stadtgespräch war. Damals fehlte es zum Glück für die Umsetzung der Projektpläne an Geld. Und am 11.11.2002 zur Eröffnung der Faschingssaison hatte Christian Freund das damalige Greizer Stadtmodell in der OTZ – Ostthüringer Zeitung nachträglich sehr humorvoll präsentiert.
Seit September 1970 mit Beginn meiner Lehre besuchte ich meine Eltern meist nur noch an Wochenenden.
Ab Mitte der 1970er-Jahre zogen ehemalige Mieter der Hirschsteingasse 5 in die Neubaugebiete Pohlitz und Reißberg sowie in Neubauten der Goethestraße und Werdauer Straße um: Die Wohnqualität war dort besser mit Warmwasserheizung und Bad in der Wohnung.
Ab 1988 wurde Obergrochlitz allmählich meine neue familiäre Heimat. Im gleichen Jahr starb meine Mutter und 1990 der Vater. Die elterliche Erdgeschosswohnung Hirschsteingasse 5 wurde dann im Herbst 1990 geräumt und übergeben (Bild 9: Silhouette vom Oberen Schloß 1990).
Nach 1990 waren auch Besichtigungen der Türme des Greizer Rathauses und des Oberen Schlosses möglich geworden. Von diesen Türmen aus fotografierte ich mein Elternhaus 1999 (Bilder 10 bis 13). Damals standen noch die Häuser vom Nachbargrundstück Hirschsteingasse 1 (vormals Häuser der Familie Greiner mit der Gaststätte „Burgkeller“) und die auf den Von-Westernhagen-Platz angebauten Verkaufs-„Kolonnaden“, ehe diese später komplett abgerissen wurden.
Und 2004 blickte ich wiederum vom Oberen Schloß / Schanze zur Hirschsteingasse 5 (Bild 14): Inzwischen war Rückbau beim Nachbargrundstück Hirschsteingasse 1 erledigt.
Jetzt befindet sich in der Hirschsteingasse 3 (Vorderhaus der alten Adresse: Hirschsteingasse 3-5) eine Hauptvertretung der Allianz Versicherung. Früher waren darin die Buchhandlung Petzold und anschließend die Buchhandlung „Herder“ untergebracht.
Die ehemalige Fleischerei Hummel mit Geschäft in der Hirschsteingasse 7 scheinen leer zu stehen. Die Fleischerei vom Fleischermeister Gunther Hummel war zu DDR-Zeiten im Angebot qualitativ hochwertig und bei den Greizern sehr beliebt.
Laut Informationen von MDR THÜRINGEN und OTZ – Ostthüringer Zeitung Mitte Dezember 2024 soll in der Hirschsteingasse 5 vor dem Brand nur noch ein (inzwischen verschwundener) Mieter gewohnt haben.
Quellenverzeichnis:
Feuerwehr-Einsatz Wohnung in Greiz gerät in Brand – angeblich Pyrotechnik gelagert (13. Dezember 2024, 10:50 Uhr; von MDR THÜRINGEN – mit Video):
https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/ost-thueringen/greiz/brand-knall-wohnhaus-polizei-feuerwehr-100.html
Großbrand in Greiz: Bewohner nach wie vor verschwunden (Update) – OTZ (16.12.2024, 17:59 Uhr):
https://www.otz.de/lokales/landkreis-greiz/article407889394/haus-in-greiz-brennt-offenbar-ging-dem-feuer-ein-lauter-knall-voraus.html
Großbrand in Greizer Innenstadt: Explosion als Auslöser? – OTZ PLUS (13.12.2024, 17:06 Uhr)
https://www.otz.de/lokales/landkreis-greiz/article407890517/grossbrand-in-greizer-innenstadt-explosion-als-ausloeser.html
Text und Fotos (keine Fremdquellen – nur stetig © Jürgen Pohle): Jürgen Pohle














Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.